8. Poetikdozentur (2019): Rebekka Kricheldorf

Rebekka Kricheldorf mit achter Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik ausgezeichnet

Nach Rimini Protokoll, Roland Schimmelpfennig, Kathrin Röggla, Albert Ostermaier, Falk Richter, Milo Rau und She She Pop übernimmt die Dramatikerin Rebekka Kricheldorf in diesem Jahr die achte Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik der Universität des Saarlandes. Die Vorträge, die Kricheldorf in diesem Rahmen hält, sind öffentlich und finden an drei Montagabenden im Juni und Juli 2019 statt. Veranstaltungsorte sind das Saarländische Staatstheater, das Theater im Schlosskeller (Saarbrücker Schloss) und die Stadtgalerie Saarbrücken.

1974 in Freiburg i.Br. geboren, studierte Rebekka Kricheldorf zunächst Romanistik an der Humboldt-Universität Berlin (1995–1997), danach Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin (1998–2002). Bereits 2001 wurde sie zur Göttinger Dramatiker-Werkstatt eingeladen und erhielt ein Aufenthaltsstipendium auf Schloss Wiepersdorf, 2002 folgten der Autorenpreis der deutschsprachigen Theaterverlage und der Publikumspreis beim Heidelberger Stückemarkt für Prinzessin Nicoletta. Ein Märchen für Erwachsene, mit dem sie zugleich im März 2003 am Stadttheater Gießen als Dramatikerin debütierte. Seither sind über 30 Theaterstücke von ihr zur Aufführung gekommen u.a. in Bern, Göttingen, Heidelberg, Jena, Kassel, Mannheim, Nürnberg oder Osnabrück. Sie schrieb Auftragswerke für das Staatstheater Stuttgart, das Theater am Neumarkt Zürich, das Staatstheater Kassel und für das Deutsche Theater Berlin.

Kricheldorf erhielt 2003 für Kriegerfleisch den Kleist-Förderpreis. 2004 war sie Hausautorin am Nationaltheater Mannheim, von 2009 bis 2011 am Theaterhaus Jena. Mit ihren Stücken Die Ballade vom Nadelbaumkiller, Alltag & Ekstase und Fräulein Agnes wurde sie bereits drei Mal (2005, 2014 und 2018) zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. 2010 erhielt sie für Villa Dolorosa, ihre Nachdichtung von Tschechows Drei Schwestern, den Förderpreis Komische Literatur der Stadt Kassel.

Am Saarländischen Staatstheater war bereits 2011 Kricheldorfs Villa Dolorosa. Drei missratene Geburtstage zu sehen. Ab dem 30. März 2019 wird in der Alten Feuerwache die Uraufführung ihres neuesten Stücks Werwolf. Eine Mythengroteske zu sehen sein.

Seit über 15 Jahren schreibt Rebekka Kricheldorf spöttische Farcen, aberwitzige Komödien und kluge Grotesken. Sie nutzt Märchen- und Mythenstoffe als Vorlage, aber immer haben ihre Texte einen gesellschaftspolitischen Hintergrund. Im Aufspüren menschlicher Absurditäten spart sie nicht mit Selbstironie und entwickelt erhellenden Sprachwitz. Ihre Stücke sind wahre Theatertexte, da die Autorin nicht nur das dramatische Handwerk bestens beherrscht, einen Erzählbogen spannen und Pointen setzen kann, sondern darüber hinaus der Regie sowie den Schauspieler*innen im wahrsten Sinne des Wortes einen Spiel-Raum für szenische Fantasie und unterschiedliche Interpretationen lässt. Anlässlich einer Einladung zu den Mülheimer Theatertagen attestierte die Jurorin und Theaterkritikerin Christine Wahl ihr ein „innovatives Fortschreiben der dramatischen Kanons“ und nannte sie eine Autorin, die unsere „Gesellschaft auf die Komödien-Spitze“ treibt.

Im Zentrum der Saarbrücker Vorträge von Rebekka Kricheldorf wird das Komische im Theater stehen: Komik als Überlebensstrategie, Humor als Werkzeug subversiver Aufklärung und ein Plädoyer für die Rehabilitation der Komödie. In ihren Vorlesungen wird Kricheldorf  unter anderem der Frage nachgehen, warum sie sich „verstörende Unterhaltung“ (oder unterhaltsame Verstörung) als Mission erwählt hat, warum Unterhaltung im deutschen Theaterkontext oft ein Schimpfwort ist und warum dagegen zu protestieren sei. Dabei werden grundlegende Reflexionen zum Theater und zur theatralen Situation, zu Märchen, Mythen und Monstern auf der Bühne, zur Mischung von Hohem und Niederem, Trash und Hochkultur mit konkreten Einblicken in die eigene Werkstatt – insbesondere zur Entstehungsgeschichte der aktuellen Saarbrücker Uraufführung Werwolf – verbunden.

Hintergrund:

Als erste Universität des deutschsprachigen Raumes richtet die Universität des Saarlandes seit dem Wintersemester 2011/12 gemeinsam mit dem Saarländischen Staatstheater, der Landeshauptstadt Saarbrücken und der VHS Regionalverband Saarbrücken jährlich die einzige Poetik-Dozentur nur für Dramatik aus. Ziel ist es, herausragende Bühnenautoren und Theatermachende der Gegenwart aus Deutschland, der Schweiz und Österreich nach Saarbrücken einzuladen, um in öffentlichen Vorträgen ihre Poetik, ihren Begriff von Drama und Theater zu formulieren und darüber zu reflektieren.

Die Vorträge der ersten sieben Saarbrücker Poetikdozenturen für Dramatik liegen bereits gedruckt vor: Rimini Protokoll: „ABCD. Saarbrücker Poetikvorlesungen“ (2012), Roland Schimmelpfennig: „Ja und Nein“ (2014), Kathrin Röggla: „Die falsche Frage“ (2015; alle: Theater der Zeit, Berlin), Albert Ostermaier: „Von der Rolle. Über die Dramatik des Verzettelns“ (2016), She She Pop: „Sich fremd werden. Beiträge zu einer Poetik der Performance“ (2018), Falk Richter: „Disconnected. Tanz Theater Politik“ (2018), sowie Milo Rau: Das geschichtliche Gefühl. Wege zu einem globalen Realismus“ (2019; alle: Alexander Verlag, Berlin).

Termine:

Montag, 17. Juni 2019     „Über Komik“ – Eröffnungsvortrag
Mittelfoyer Saarländisches Staatstheater

Montag, 24. Juni 2019     „Über verstörende Unterhaltung“ – 2. VortragSaarbrücker Schloss, Theater im Schlosskeller

Montag, 01. Juli 2019      „Über Werwölfe“ – 3. Vortrag
Stadtgalerie Saarbrücken

Die Vorträge von Rebekka Kricheldorf beginnen jeweils um 20 Uhr und dauern rund eine Stunde; anschließend findet eine Diskussion statt. Der Eintritt ist frei. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.

Parallel findet an der Universität des Saarlandes ein Seminar zum Werk von Rebekka Kricheldorf statt, das ein Gespräch zwischen der Theatermacherin und den Studierenden einschließt.